Das InterNetzteil- und Konverter-Handbuch von Dipl.-Ing Jörg Rehrmann
9. Streufeldentsorgung bei Sperr- und Flusswandlern

Bei Sperrwandlern, Eintakt-Flusswandlern und Gegentakt-Flusswandlern mit Parallelspeisung (je eine Spule pro Transistor) ist die Verarbeitung der im Streufeld gespeicherten Energie ein wesentliches Problem. Bei Eintakt-Flusswandlern kommt noch die Entsorgung oder besser die Rückgewinnung der Magnetisierungsenergie hinzu. Weil dieses Thema so wichtig ist, habe ich dem ein eigenes Kapitel gewidmet. Ich möchte die angewendeten Techniken in zwei Hauptgruppen unterteilen:

  1. Thermische Feldentsorgung. Die nicht benötigte Feldenergie wird in Wärme umgesetzt.
  2. Energierückführung. Die überschüssige Energie wird der Versorgungsspannung zurückgeführt.

9.1 Thermische Streufeldentsorgung
Die thermische Entsorgung der überschüssigen Feldenergie ist schaltungstechnisch die einfachste Lösung. Sie wird vorwiegend bei kleinen Wandlerleistungen angewandt, wo der Energieverlust nicht so sehr ins Gewicht fällt.
Im Wesentlichen sind drei Varianten üblich, die ich in Bild 9.1 A-C aufgezeichnet habe. In Bild 9.1 A ist die einfachste Version mit einem RC-Dämpfungsglied zu sehen, die aber i.d.R. auch den schlechtesten Wirkungsgrad hat und am schwierigsten zu berechnen ist. Zusätzlich zur anfallenden Streuenergie muss der Kondensator C 1 pro Periode je einmal auf die Primärspannung Ue und die auf die Primärseite transformierte Ausgangsspannung Ua’ = Ua W1/W2 mit W 1 = Windungszahl der Primärspule und W 2 = Windungszahl der Sekundärspule aufgeladen werden. Die dabei verloren gehende Energie ist 1/2 ClUe2 + 1/2 ClUa'2 pro Periode. Die einzige Möglichkeit, dies so zu beeinflussen, dass weniger Verluste entstehen, besteht darin, C 1 möglichst klein zu lassen. Nach dem Abschalten des Transistors muss die Spannung am Transistor mindestens auf Ue + Ua’ ansteigen. Dazu addiert sich dann noch die in der Streuinduktivität induzierte Spannung. Die Streuinduktivität Ls bildet dann zusammen mit C 1 einen Schwingkreis, der jetzt frei weiterschwingen kann und dessen Spannung sich zu Ue + Ua’ addiert. Der Widerstand R 1 soll die relativ hochfrequente Schwingung möglichst schnell dämpfen, um hochfrequente Störabstrahlungen zu vermeiden. Die optimale Dimensionierung ist nicht so leicht zu definieren. Einerseits soll der Kondensator möglichst klein sein, damit die Verluste gering sind, andererseits ist die am Transistor auftretende Induktionsspannung umso größer je kleiner der Kondensator ist. Gerade bei MOSFETs handelt man sich mit einer hohen Sperrspannung aber auch einen hohen Einschaltwiderstand und geringe Strombelastbarkeit ein. Es gilt also, einen Kompromiss zu finden, wobei man natürlich zunächst die Streuinduktivität durch eine gute magnetische Kopplung der Spulen minimieren muss. Soll z.B. bei einem Sperrwandlernetzteil ein 600-Volt-Transistor zum Einsatz kommen, was tatsächlich oft der Fall ist, geht man zunächst von einer höchstmöglichen Netzgleichspannung von 400 Volt aus. In diesem Fall dürfen die 600 Volt nicht überschritten werden. Setzt man jetzt Ua’ und die in der Streuinduktivität induzierte Spannung mit je 100 Volt an, ist der Rahmen bereits ausgeschöpft. Bekannt ist auch der maximale Spulenstrom Imax, der unmittelbar vor dem Ausschalten des Transistors auftritt. Daraus ergibt sich die in der Streuinduktivität gespeicherte Energie zu Ws = 1/2 LsI2max . Im Extremfall kann die gesamte Energie aus dem Streufeld in den Kondensator C 1 wandern. Für die Energie im Kondensator gilt Wc = 1/2 ClUc2 . Bei vollständiger Energieübertragung gilt LsImax2 = ClUc2 . Referenzpotential für die Berechnung der Energie im Kondensator ist die Plateauspannung Ue + Ua’, da sich zu dieser Spannung die Induktionsspannung der Streuinduktivität addiert. Uc ist in diesem Beispiel also mit 100 Volt anzunehmen. Da jetzt alle anderen Größen bekannt sind, kann man C 1 ausrechnen, indem man die Formel nach C 1 auflöst Cl = Ls Imax2/Uc2 . Für den Wert von R 1 gibt es eine Obergrenze die durch den Resonanzwiderstand des Schwingkreises Ls/C1 festgelegt ist. Bei Rl = √(Ls/Cl) ist der Schwingkreis kritisch gedämpft und eine weitere Erhöhung von R 1 bringt statt einer höheren Dämpfung nur eine höhere Spannung am Transistor. Wenn sich nach der Berechnung von R 1 herausstellt, dass nach dem Abschalten des Transistors der Spulenstrom einen erheblichen Spannungsabfall im Widerstand verursacht, sollte R 1 lieber etwas kleiner ausfallen. Die Spannung schwingt dann zwar über einige Perioden aus, das ist aber nicht so schlimm wie eine zu hohe Spannung am Transistor. Wesentlich besser und gebräuchlicher ist die Schaltung in Bild 9.1 B. Sie hat den Vorteil, dass sie in der negativen Flanke und während der Flußphase keine Verluste produziert Soll der Wirkungsgrad bei Volllast optimiert werden, lässt sich diese Schaltung relativ leicht berechnen. Dazu wählt man C 1 so groß, dass sich dessen Spannung innerhalb einer Periode nicht wesentlich ändert, d.h. ClRl » 1/f .

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Bild 9.1 A Bild 9.1 B Bild 9.1 C

Drei gängige Varianten der thermischen Streufeldentsorgung

Aus der Berechnung des Wandlers weiß man, wie hoch bei Volllast die Schaltfrequenz f und der Spulenstrom Imax ist. Wenn auch die Streuinduktivität bekannt ist, ergibt sich die Streufeldenergie zu Ws = 1/2 LsImax2 und damit die aus dem Streufeld zu entsorgende Leistung zu Ps = 1/2 fLsImax2 . Soll die am Transistor auftretende Spannung minimal ( ca. Ue + Ua’) sein, kann man R 1 so bemessen, dass er ein Vielfaches dieser Leistung umsetzt, wenn an ihm die Spannung Ua’ anliegt. Da Ua' immer an R 1 anliegt, wird diese Leistung selbst im Leerlauf umgesetzt. Der Wirkungsgrad lässt sich verbessern, wenn man eine höhere Spannung an R 1 und C 1 zulässt. Dazu wird R 1 größer gewählt, damit die Verlustleistung insbesondere bei geringer Last niedriger wird. Bei Volllast steigt die Spannung dann über Ua, bis in R1 die gesamte Streufeldleistung umgesetzt werden kann. Die in R1 umgesetzte Leistung ist wegen der sich addierenden Induktionsspannung der Hauptinduktivität aber immer deutlich größer als die Streufeldleistung. Was nun die optimale Dimensionierung ist, hängt also auch vom jeweiligen Anwendungsfall ab. Noch einfacher ist die Dimensionierung in Bild 9.1 C. Die Spannungsspitze wird einfach mit einer Zener- oder besser einer Supressordiode abgefangen. Die Zenerspannung wird etwas größer als Ua’ gewählt, damit die Diode nicht durch die reguläre Induktionsspannung der primärseitigen Hauptinduktivität leitend wird. Die nötige Verlustleistung der Zenerdiode ist immer deutlich größer als die Streufeldleistung bei Volllast. Genau wie beim RCD-Netzwerk aus Bild 9.1.B liegt das daran, dass sich zu der von der Streuinduktivität induzierten Spannung noch die Spannung der Hauptinduktivität addiert. Der Vorteil der Zenerdiodenschaltung besteht jedoch darin, dass bei geringer Last nur wenig Leistung in der Zenerdiode umgesetzt werden muß. Da die Zenerdiode in Sperrrichtung betrieben wird, muss noch die Diode D 1 in Serie geschaltet werden. Sie hält während der Flussphase die Eingangsspannung Ue von der Zenerdiode fern, da Ue sonst von der in Durchlassrichtung geschalteten Zenerdiode kurzgeschlossen würde.

9.2 Regenerative Streufeldentsorgung
Um den Wirkungsgrad zu verbessern und auch Kühlprobleme zu vermeiden, wird man vor allem bei höheren Leistungen versuchen, die im Streufeld gespeicherte Energie zurückzuführen. Dazu gibt es verschiedene Möglichkeiten, die natürlich aufwendiger sind als die thermische Entsorgungstechniken. Die meisten davon habe ich bei den entsprechenden Wandlern bereits vorweggenommen. Am besten ist es natürlich, wenn das Wandlungsprinzip bereits eine Rückführung „frei Haus“ liefert. Leider ist das nur bei Halb- und Vollbrückenschaltungen der Fall.

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Bild 9.2 A Bild 9.2 B

Rückführung der Magnetisierungs- und Streufeldenergie

Da solche Wandler meistens nur bei höheren Leistungen eingesetzt werden, muss bei kleineren Wandlerleistungen eine zusätzliche Schaltung die Streufeld- und ggf. die Magnetisierungsenergie (bei Flusswandlern) zurückführen. In Bild 9.2 A ist die einfache Ausführung einer Rückführung der Magnetisierungsenergie zu sehen, wie sie bei Eintakt-Flusswandlern verwendet wird. Während der Sperrphase wird die Energie über die Entmagnetisierungsspule W 2 auf die Versorgungsspannung zurückgeführt. Da die magnetische Kopplung von W 1 und W 2 jedoch nicht ideal ist, bleibt immer noch ein Streufeld übrig, das direkt an W 1 entsorgt werden muss. Es ist also zusätzlich noch eine der Schaltungen aus den Bildern 9.1 erforderlich.
Besser ist die Schaltung in Bild 9.2 B. Die Wicklungen W 1 und W 2 haben genau die gleichen Windungszahlen. Die Spulen sind so geschaltet, dass an den Punkten, an denen der Kondensator C 1 angeschlossen ist, die Signale genau phasengleich sind. Über C 1 werden sie dann fest miteinander verkoppelt. Der Koppelkondensator C 1 schließt sozusagen die Streuinduktivität zwischen W 1 und W 2 kurz. Jetzt kann sowohl die Magnetisierungsenergie als auch die Streufeldenergie direkt über die Diode D 1 der Versorgungsspannung zurückgeführt werden. Da C 1 im Ersatzschaltbild parallel zur Streuinduktivität liegt, kann es theoretisch zu unerwünschten Resonanzschwingungen kommen. Diese verhindert man, indem C 1 so groß gewählt wird, dass die Resonanzfrequenz dieser Kombination weit unterhalb der Schaltfrequenz liegt. Das gleiche Problem gibt es auch bei Gegentaktwandlern mit Parallelspeisung, also mit getrennten Spulen für jeden Transistor.

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Bild 9.2 C Energierückführung beim Gegentaktwandler

Wie man in Bild 9.2 C sieht, ist das Prinzip genau das Gleiche. Alles ist nur symmetrisch, bzw. doppelt aufgebaut. Die bisher beschriebenen Energierückführungen haben alle den Nachteil, dass der Trafo relativ viele Wicklungen benötigt und daher recht aufwendig in der Herstellung ist und außerdem der zur Verfügung stehende Wickelraum nicht optimal genutzt wird. Noch interessanter ist eine Technik, bei der keine zusätzliche Spule zur Rückführung benötigt wird. Dies ist mit einer Brückenschaltung möglich. Wie in Bild 9.2 D/E zu sehen ist, besteht die Brücke aus je zwei Dioden und Transistoren, die diagonal gegenübersitzen. Beide Transistoren werden in der Flussphase synchron eingeschaltet und während der Sperrphase synchron wieder ausgeschaltet. Ein Transistor legt die Primärspule jeweils auf Masse und der andere das andere Ende gleichzeitig auf Betriebsspannung. In der Sperrphase kann sich die Polarität der Spannung in der Primärspule umkehren, und die Energie im Trafo über die Dioden D 1 und D 2 der Betriebsspannung zurückgeführt werden. Die Transistoren brauchen nur die einfache Betriebsspannung vertragen, was sich bei MOSFETs günstig auf die Strombelastbarkeit der verwendbaren Typen auswirkt.
Ein Nachteil der Brückenschaltung ist wieder die schwierige Ansteuerbarkeit des Transistors im oberen Brückenzweig. Geeignete Steuerschaltungen mit und ohne Trafo habe ich ja bereits zu genüge vorgestellt. Eine interessante Variante der Ansteuerung ist in Bild 9.2 E zu sehen. Das Steuersignal für T 1 kann direkt dem Wandlertrafo entnommen werden. Sobald T 2 angesteuert wird, sinkt die Sourcespannung von T 1. Über R 1 wird nun das Gate von T 1 auf eine Vorspannung gebracht, sodass auch T 1 beginnt zu leiten. Wenn nun T 2 schaltet, bewirkt dies eine Strom- und Spannungsänderung in der Primärspule und in der Hilfswicklung. Über R 3 und C 1 wird dann T 1 richtig durchgeschaltet oder gesperrt je nach aktueller Phase. Der Anlaufwiderstand R 1 ist für Betriebsspannungen von über 100 Volt ausgelegt und muss bei kleineren Betriebsspannungen entsprechend verkleinert werden, damit T 1 genügend Gatespannung bekommt. Im Normalfall kann R 2 sogar ganz entfallen. Dann bräuchte R 1 auch nicht mehr der Betriebsspannung angepasst werden. Der Spannungshub an der Hilfswicklung sollte etwa 20 Volt betragen.

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Bild 9.2 D Bild 9.2 E

Energierückführung mit einer Brückenschaltung

Wird eine der vorgestellten Schaltungen zur Rückgewinnung der Streufeldenergie eingesetzt, ist zu beachten, dass die Induktionsspannung während der Sperrphase nie größer als die Betriebsspannung sein kann. Deshalb darf die Einschaltdauer des Schalttransistors 50 % niemals übersteigen. Andernfalls ist eine vollständige Entmagnetisierung des Trafokernes während der Sperrphase nicht mehr möglich und es besteht Gefahr, dass der Kern in die Sättigung gefahren wird. Dies kann insbesondere bei Eintakt-Flusswandlern passieren, da sich bei Kernen ohne Luftspalt die drohende Sättigung nicht ankündigt. Deshalb sollten nur Steuer ICs verwendet werden, die die Einschaltdauer auf 50 % begrenzen. Dies ist z.B. der UC 3844 und der UC 3845. Auch die Standard-ICs für Gegentakt-Ansteuerung ( SG 3524, SG 3525 und TL 494) sind dafür geeignet, wenn man einfach nur einen Gegentakt-Zweig benutzt.

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